ÖRR-Urgestein Peter Voß kritisiert Skandale und Greenwashing bei ARD und Co.
Die Skandale bei ARD und ZDF sind mittlerweile so häufig und zeigen so offensichtlich ein grundsätzliches Problem des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, dass sie nun das Urgestein Peter Voß auf den Plan gerufen haben. Voß war zwischen 1971 und 1993 unter anderem Moderator des heute journals. Von 1993 bis 2007 war er Intendant des Südwestfunks, dann des Südwestrundfunks.
In einem Gastbeitrag für die Frankfurter Allgemeine Zeitung am Wochenende bezog Voß Stellung zu seinem ehemaligen Arbeitgeber, insbesondere zu dessen politischer Voreingenommenheit und Unbeholfenheit im Umgang mit Kritik. Denn in "schon fast regelmäßigen Abständen" laufe eine neu "linksgrunzende Sau durchs öffentlich-rechtliche Dorf".
Nazivergleiche und Werbung für Klima-Fanatiker
Jüngst kam diese Sau in Gestalt eines Beitrags des WDR daher, über die als "Greenwashing bewertbare PR-Aktion" der Supermarktkette Penny. Voß hatte laut eigener Aussage den Eindruck, als könnte der Beitrag "direkt von der Werbeabteilung des Discounters zugeliefert worden sein", so unkritisch war er.
Der Auftritt einer WDR-Mitarbeiterin als einfache Kundin, wofür der Sender in der Folge kritisiert wurde, wäre laut Voß überhaupt nicht nötig gewesen, wenn man sich die "Penetranz der öffentlich-rechtlichen Programme im Kontext mit dem Klimawandel" vergegenwärtige. Für den WDR-Programmbereichsleiter Stefan Brandenburg handelte es sich freilich nur um ein "Missverständnis".
Aber ebenso wenig wie dieses "Missverständnis" kann Voß die Erklärung des ZDF zu den sprachlichen Ausfällen Jan Böhmermanns befriedigen. Dessen Äußerung, CDU-Chef Friedrich Merz sei ein "Nazi mit Substanz", führte zu keinen Konsequenzen, da sie laut ZDF eine private Äußerung Böhmermanns gewesen sei – als ob bei seiner Bekanntheit "irgendeine öffentliche Äußerung von ihm noch privat sein könnte", resümiert Voß.
Die Moderatorin Negah Amiri ist in Voß' Augen wenigstens unterhaltsam, auch wenn ihre "Never Ever"-Sendung über "sexy Klima-Aktivismus" zur "Apologie" für die "Fanatiker" der Letzten Generation und Extinction Rebellion geraten sei. Die bemerkenswerte Reaktion des Hessischen Rundfunks auf Kritik an der Sendung? Es handele sich um kein "nachrichtlich-berichtendes Format", und mit "bewussten Übertreibungen von Emotionen zu arbeiten", habe zum Konzept gehört. Voß' bissiger Kommentar dazu:
"Welch bestechende Logik: Wir machen es mit Absicht, also muss es richtig sein."
Predigerton ersetzt nüchterne Analyse
Und sei es nicht gerade das "unreflektierte Schüren von Emotionen", das Leute in den rechten oder linken Populismus treibe, will Voß wissen. Doch auch das könnte ein kleineres Problem sein, wenn es bei der "Optik und Stoßrichtung" mal Abwechslung für die Gebührenzahler geben würde. Außer dem Kabarettisten Dieter Nuhr finde sich da allerdings nicht viel, meint Voß.
Bei den Nachrichtenformaten sehe es auch nicht besser aus als bei den humoristischen. Vor allem beim Themenkomplex Migration und Integration und bei der Frage der richtigen Strategie gegen die zunehmende Erderwärmung bestehe ein "Defizit an Differenzierung". Und nicht nur bei diesen Themen ersetze der "Predigerton" zu oft die nüchterne Analyse.
Auffällig sei der unaufhörlich präsentierte Katalog politisch-moralischer Pflichten, die "wir" als Gesellschaft hätten. Aber wer ist denn dieses "Wir"? Und wie ließe sich in den Redaktionen von ARD und ZDF das "Bewusstsein für Fairness und Differenzierung" schärfen? Wenn das gelinge, so Voß, dürfte wohl auch die Skandaldichte "auf ein erträgliches Maß" zurückgehen.
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